Es war der 1. Juni 2018.
Die Nacht in Irrel, nahe Bitburg, war geprägt von heftigen Gewittern und ausdauerndem Regen. Der Morgen war trocken und warm.
Nach dem Frühstück setzte ich mich an den Laptop und schrieb meinen Artikel über den Campingplatz Südeifel. Gerade einmal eine halbe Stunde war dieser online – mein Laptop stand noch ausgeklappt auf dem Campingtisch -, als in Irrel die Sirenen erklangen. Wir spekulierten darüber, dass die Feuerwehr möglicherweise aufgrund der nächtlichen Regenfälle einige Keller auspumpen müsse.
Was aber knapp 5 Minuten später über uns einbrach, damit hatte zu diesem Zeitpunkt noch keiner gerechnet…
Die Flut kommt…
Dirk Heck, Inhaber des Campingplatz Südeifel, teilte uns gegen 14.10 Uhr die Hiobsbotschaft mit: “Sofortige Räumung des Campingplatzes, eine Flutwelle ist auf dem Weg zu uns.” Am Stausee Bitburg wurde zu diesem Zeitpunkt bereits vermehrt Wasser abgelassen. Erste Gerüchte kursierten, da sei etwas schief gelaufen. Dazu später mehr.
Wann die Flutwelle eintreffen würde, war unklar. Von 1 bis 3 Stunden war die Rede. Und es wurde mit einem Hochwasser gerechnet, was den bisherigen Spitzenwert vom Januar 2003 noch übertreffen könne!
Ein Blick über den an diesem langen Fronleichnams-Wochenende gut gefüllten Campingplatz reichte aus, um zu wissen: Das wird verdammt knapp! Denn viele Camper waren auf Tagesausflügen unterwegs, einige Langzeitcamper an diesem Wochenende aber auch gar nicht anwesend.
Schnellster Abbau aller Zeiten
Zeit, um die Vorzelte ordentlich abzubauen, war jetzt keine mehr. Sachen zusammenklappen, in den Wohnwagen oder in den Kofferraum schmeissen und runter von der Wiese. Glücklicherweise liegt ja ein Großteil des Campingplatzes – nämlich der Teil, auf dem die Dauercamper untergebracht sind – in erhöhter Lage, so dass die Gespanne den Berg hochgezogen und auf den Stichwegen abgestellt werden konnten. Ein Teil der Camper zog auch auf das unweite Schulgelände.
Keine 15 Minuten brauchten wir, um unsere Sachen zusammenzuräumen. Dass es im Wohwagen nicht schön aussah, muß ich wohl nicht extra erwähnen.
Einer für alle und alle für einen
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Während von einem Teil der Camper nur eine dünne Staubwolke am Horizont zu sehen war, kehrten viele Camper zurück, nachdem sie ihr Hab und Gut in Sicherheit gebracht hatten und halfen der Freiwilligen Feuerwehr dabei, die Wohnwagen der Camper zu sichern, die nicht da waren.
Schadenminimierung war hier die Devise. So wurden aus den aufgebauten Vorzelten nur flugs die Stangen gezogen und die Vorzelte einfach über die Wohnwagen geklappt. Stangen und Vorzeltteppiche landeten ebenso auf den Dächern der Wohnwagen. Inventar wie Tische und Stühle wurden auf Anhänger verladen und rausgefahren.
Eingegrabene Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, TV) konnten teilweise nicht geortet werden und mussten mit der Akkuflex durchtrennt werden. Die Wohnwagen selbst zog dann Herr Heck mit dem Radlader raus. Zeit, um die Heringe aus dem Boden zu ziehen, blieb keine. Diese wurden nur noch in den Boden eingeschlagen, damit nicht auch noch die Reifen beschädigt werden.
Probleme bereiteten u. a. verschiedene Aufnahmesysteme für die Wohnwagenstützen. Auf der Suche nach der passenden Kurbel ging teilweise wertvolle Zeit verloren – warum ist das eigentlich nicht genormt, gerade für solche Notsituationen?
Unermüdlich arbeiteten die Helfer, um auch noch den letzten Wohnwagen vom Platz zu zerren. Immer mit dem Schulterblick auf die Prüm, die stetig anstieg und am Anfang des Platzes schon die ersten Standplätze zu überschwemmen begann. Dabei war es nicht nur das Wasser, was gefährlich nahe kam, auch ganze Baumstämme wurden mit den Wassermassen mitgerissen. Die Fließgeschwindigkeit war enorm, so dass ganze Stammwalzen angerauscht kamen und gegen Bäume krachten, sich vor den Stromsäulen auftürmten und die Außenwaschbecken abrissen.
Einen riesigen Dank möchte ich an dieser Stelle der Feuerwehr und allen freiwilligen Helfern aussprechen. Sie haben es tatsächlich geschafft und konnten auch den letzten Hänger noch – knapp 4 Stunden nach dem Ausrufen des Katastrophenfalls – in Sicherheit bringen. Da stand allerdings das Wasser schon kniehoch auch dem Platz, sodass die letzen Helfer durchnässt bis auf die Knochen (es hatte ja zwischendurch auch noch wieder angefangen, heftig zu regnen), mit hochgekrempelten Hosen und den Schuhen in der Hand vom Platz stiefelten.
Tiere in Not
Am anderen Ende des Campingplatzes sah ich mich urplötzlich mit einer mir bisher unbekannten Herausforderung gestellt: Hühner einfangen. Im meinem ganzen Leben habe ich das noch nicht gemacht, aber da auch das Tiergehege überflutet werden würde, mussten sämtliche Tiere evakuiert werden. Neben den knapp 20 Hühner und Hähnen auch ein Kaninchen. Dieses packte ich als erstes, setzte es in eine Plastikwanne und brachte es meinem 8-jährigen Sohn zur Aufsicht, der bei den Dauercampern herzlichst versorgt wurde.
Aber Hühner?
In einer solchen Situation wächst man über sich hinaus und legt alle Scheu ab. Man agiert nur noch. Und schwupps hielt ich das erste Huhn stolz in den Armen. Die Kartons, in die wir die Hühner zunächst stecken wollten, waren allerdings vom Regen durchweicht und bis auf zwei Stück vollkommen unbrauchbar. Dann hatte Annika eine ungewöhnliche, aber in diesem Moment geniale Idee: eine Mülltonne! Gott sei Dank fand sich in direkter Nähe eine leere 240-Liter-Tonne, in die wir einen Teil der Hühner erstmal unterbrachten und aus dem Gefahrenbereich brachten. Natürlich konnten die Tiere darin nicht dauerhaft bleiben, und so brachten wir sie in den Gartenschuppen der Familie Heck. Etwas gestresst, aber in Sicherheit, konnten wir die Tiere dort erst einmal unterbringen.
Die Tiere auf der Koppel am unteren Ende des Campingplatzes (Ponys, Esel, Ziegen) waren zu diesem Zeitpunkt bereits gesichert. Es ist keines zu Schaden gekommen.
Grillen für die Helfer
Nachdem alles Menschenmögliche getan war, konnten wir nur noch zusehen, wie der Campingplatz überflutet wurde. Dirk Heck hatte bereits eine Einladung zum Grillen an alle Helfer ausgesprochen.
Und so standen wir am großen Schwenkgrill, bissen in die Grillwurst und waren verdonnert, dabei stehen zu müssen, während das Wasser sich seinen Weg in die unten gelegenen Räume des Haupthauses bahnte. Auf die Frage eines Helfers, ob wir nicht Sandsäcke stapeln sollen, meinte Heck nur, das Wasser drücke sich auch von unten in die Duschen, es wäre vergebene Liebesmühe. Gott sei dank sind unten die Räume komplett gefliest, so dass sich hier mit fleissiger Putzarbeit und einem Hochdruckreiniger bewaffnet der Schaden in Grenzen hält.
Kontrollierter Ablass des Stausees?
Entgegen ersten Meldungen, nach denen etwas am Staudamm schief gelaufen sein solle, wurde später verbreitet, es habe sich um einen kontrollierten Ablass nach den heftigen Regenfällen gehandelt.
Moment mal… Ein kontrollierter Ablass des Hochwasserschutz-Stausees verursacht das dritthöchste Hochwasser der Region seit Aufzeichnung? Nur 2003 und 1993 stand den Anrainern das Wasser noch höher bis zum Hals. Mit 451 cm Pegelstand am Pegel Prümzurlay war das Hochwasser vom 1. Juni 2018 nur 2 cm unter dem Pegelstand von ’93…
Das wirft Fragen auf.
Der Stausee Bitburg wurde zum Hochwasserschutz gebaut und ist im Prinzip nichts weiter als ein riesiges Regenrückhaltebecken. Aber… er wird, sicherlich nicht zu Unrecht, auch als Erholungsgebiet mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten genutzt. Vor allem Wassersportarten jeglicher Art kann man hier nachgehen. Und am Rande des Sees finden wir auch ein bekanntes Hotel.
Tatsache ist, dass der Pegel der Prüm Tage zuvor nachweislich auf 30 bis 35 cm rumdümpelte – da war Luft nach oben. Da das Flussbett relativ tief liegt, hätte man in dieser Zeit bereits Wasser aus dem Stausee ablassen und so ein Reservoir schaffen können – zumal weitere Unwetter mit heftigen Regenfällen vorhergesagt waren.
Die Frage, was da im Vorfeld bereits schief gelaufen ist, muss sich der Betreiber des Stausees Bitburg wohl gefallen lassen.
Das Schlamm-Problem
Der Stausee Bitburg hat ein gravierendes Problem: Schlamm.
In dem ruhigen Gewässer lagert sich das von der Prüm mitgeführte Sediment unaufhörlich an.
Und: dieser Schlamm ist mit den Schwermetallen Blei, Zink und Nickel belastet und darf zwar ausgebaggert, aber nicht mehr wie früher auf den Feldern verteilt werden. Woher die Schwermetalle kommen? Wohl tatsächlich aus den natürlichen Bodenvorkommnissen. Der Schlamm muss also anderweitig entsorgt werden. Das kostet Geld. Und braucht Platz.
Die letzte Entschlammung des Bitburger Stausees fand im Frühjahr 2016 statt. Rund 45.000 Kubikmeter Schlamm wurden dabei mit einem Spezialschiff ausgebaggert und zwischengelagert. Für mehr Schlamm reichte der Platz nicht, da in diesem Lager noch immer rund 40.000 Kubikmeter Schlamm von der Entschlammung 2005 liegen. Ein Teil dieser Entschlammung wurde zwar 2015 zur Renaturierung einer Deponie verwendet, aber eben nicht alles. Und der im Stausee verbliebene Schlamm lässt das Stauvolumen immer noch deutlich schrumpfen.
Die braune Brühe, die mit dem Hochwasser durch die Dörfer getrieben wurde, lässt vermuten, dass ein Teil des angelagerten Schlammes mit den Fluten ausgeschwemmt wurde. Ein Blick auf das geöffnete Stauwehr, das Bild wurde auf der Internetseite des Trierischen Volksfreundes veröffentlicht, lässt befürchten, dass da mehr Schlamm als Wasser durch die Tore rauschte. Möglicherweise nicht absichtlich… Aber durch kontrolliertes Ablassen im Vorfeld eventuell vermeidbar.
The day after…
Am Tag nach dem Hochwasser begannen die Aufräumarbeiten. Und die Schadensbegutachtung.
Auf welche Summe sich die Schäden addieren, konnte noch keiner beziffern. Auf dem Campingplatz Südeifel werden neben den Kosten zur Behebung der physischen Schäden wohl auch jede Menge Einnahmen wegfallen. Schließlich kann ein paar Tage lang kein Urlauber auf dem Platz sein Zelt aufschlagen. Und viele Camper, die noch ein paar Tage länger bleiben wollten, sind vorzeitig abgereist. Anreisenden Urlaubern musste Marion Heck telefonisch absagen.
Zu meiner Frage, wer denn für diesen Schaden aufkommt, ernte ich von ihr nur Schulterzucken und ein erschöpftes Lächeln. Die Freundlichkeit verlieren die Eifelaner auch im Katastrophenfall nicht.
Boah, das ist ja heftig. Kompliment an alle Helfer, die schlimmeres verhindert haben – und auch für das Retten der Hühner! 🙂
Das klingt wirklich nach menschlichem Versagen, wenn da bei niedrigem Pegelstand nicht vorher schon mal kontrolliert Wasser abgelassen wurde, um Kapazitäten für weiteren Regen zu schaffen.
Hier bei uns am Rhein lebt man schon immer mit dem "normalen" Hochwasser. Das ist ätzend genug, aber man richtet sich darauf ein, bereitet sich vor und kennt es nicht anders. Aber diese ständigen Überflutungen bei Unwettern, das ist neu. Und das schlimmste daran ist die Unvorhersehbarkeit. Da ist nicht viel mit Vorbereitung, wie man immer wieder in den Nachrichten sieht.
Ich hoffe, dass die Campingplatzbetreiber eine gute Saison haben und den entstandenen Schaden wieder reinholen können.
Übrigens ein sehr schöner Blog hier, durch den ich mich gerade lese. Viele interessante Artikel habt ihr, echt klasse.
Ich bin auf der Suche nach einer Campingtoilette auf Euren Testbericht gestoßen. Bisher habe ich noch keine und schwanke zwischen der Enders DeLuxe und einem Thetford-Potti.
Die Enders hat ja eine Antihaftbeschichtung, was nicht schlecht wäre. Wie sieht denn euer Fazit aus in der Zwischenzeit? Würdet ihr euch eindeutig für eines der Modelle wieder entscheiden und das andere ausschließen?
VIele Grüße,
Aggie